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Die Ozeane, die mehr als 70 Prozent der Erdoberfläche bedecken, sind weit mehr als nur ein faszinierender Lebensraum. Sie bergen ein nahezu unerschöpfliches Reservoir an Wirkstoffen, die das Potenzial haben, die moderne Medizin zu revolutionieren. Besonders Meeresbewohner wie Seesterne, Korallen oder Seelilien sind wahre Chemielabore der Natur. Mit ihrer Vielzahl an komplexen Substanzen schützen sie sich vor Fressfeinden, Krankheiten oder Umweltstress – und könnten dabei die Antwort auf viele medizinische Herausforderungen unserer Zeit liefern. Angesichts der zunehmenden Resistenz gegen Antibiotika und dem stetigen Bedarf an neuen Medikamenten ist es an der Zeit, die Ozeane als medizinische Schatzkammer zu begreifen.

Ein Blick unter die Wasserlinie: Das Elyakov-Pazifik-Institut

Einen bedeutenden Beitrag zur Erforschung von marinen Wirkstoffen leisten Wissenschaftler am „Elyakov-Pazifik-Institut für Bioorganische Chemie der Fernöstlichen Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften“. Ihre Arbeit zeigt eindrücklich, wie speziell Meeresorganismen im Laufe der Evolution einzigartige chemische Abwehrsysteme entwickelt haben, die auch für den Menschen von großem Nutzen sein könnten.

So haben Forscher des Instituts herausgefunden, dass Seelilien (Crinoidea) hochwirksame Substanzen mit entzündungshemmenden, antiviralen und antikanzerogenen Eigenschaften enthalten. Diese wirbellosen Tiere, die zu den ältesten Organismen der Erde zählen, schützen sich mit leuchtenden Farben vor Fressfeinden. Verantwortlich dafür sind sogenannte Chinone – zyklische organische Verbindungen, die aus der Oxidation von Aromaten wie Phenolen hervorgehen. Chemisch gesehen handelt es sich dabei um 1,4-Benzochinon, das in seiner Struktur und Funktion außergewöhnlich vielseitig ist.

Neue Hoffnung aus der Tiefe: Die Entdeckung der Phanograciline

Im Südchinesischen Meer, nahe der Insel Lishan (Li Shu), wurden Proben der Seelilienart Phanogenia gracilis aus einer Tiefe von drei bis neun Metern gesammelt. Dabei isolierten die Wissenschaftler drei neuartige dimere Verbindungen, die sie Phanogracilin A, B und C tauften. Diese Substanzen zeigten im Labor verblüffende Wirkungen: Sie erhöhten die Überlebensrate von Nervenzellen, die durch das Neurotoxin Rotenon geschädigt worden waren. Gleichzeitig hemmten sie das Wachstum von grampositiven Bakterien wie Staphylococcus aureus und hefeartigen Pilzen wie Candida albicans. Besonders bemerkenswert: Die Mikroorganismen waren nach der Behandlung nicht mehr in der Lage, Biofilme zu bilden – ein entscheidender Faktor für die Resistenz vieler Krankheitserreger.

Die antioxidativen und antimikrobiellen Eigenschaften der Phanograciline eröffnen neue Perspektiven für die Entwicklung von Medikamenten gegen neurodegenerative Erkrankungen oder resistente Infektionen – ein Meilenstein in der pharmazeutischen Forschung.

Seesterne: Chemische Wunderwerke im kalten Wasser

Doch nicht nur Seelilien haben das Interesse der Wissenschaft geweckt. Auch Seesterne (Asteroidea), die zu den Stachelhäutern zählen, beeindrucken mit ihrem chemischen Repertoire. Von den rund 1.600 bekannten Arten untersuchten die Forscher am Elyakov-Pazifik-Institut Exemplare aus dem Ochotskischen Meer, einer eisigen Region zwischen Sachalin und der Halbinsel Kamtschatka. Diese Seesterne produzieren eine dicke Schleimschicht, die sie vor Fressfeinden schützt. Die Analyse dieser Substanzen offenbarte eine wahre Fundgrube für die Medizin.

Im Extrakt des Seesterns Pteraster marsippus fanden die Wissenschaftler unter anderem das Monoamin-Alkaloid Tryptamin sowie vier neue steroidale Disulfate. Diese Verbindungen zeigten in Laborexperimenten eine bemerkenswerte Wirkung: Sie hemmten effektiv das Wachstum von Brustkrebszellen. Der Mechanismus, durch den diese Substanzen wirken, könnte die Grundlage für neue Krebstherapien bilden – eine vielversprechende Perspektive, die die Bedeutung der marinen Wirkstoffforschung unterstreicht.

Natürliche Wirkstoffe: Ein Schatz mit langer Geschichte

Schon heute basieren über 50 Prozent aller Krebsmedikamente und Antiinfektiva auf organischen Molekülen, die ursprünglich aus der Natur stammen. Von den mehr als 400.000 bekannten Naturstoffen entfallen jedoch nur rund zehn Prozent auf marine Organismen und deren mikrobielle Symbionten. Dabei sind es gerade die Ozeane, die durch Milliarden Jahre der Evolution Substanzen hervorgebracht haben, die in ihrer Funktionalität und Wirkung einzigartig sind. Diese Moleküle wurden immer wieder durch die Anpassung an extreme Umweltbedingungen optimiert – eine Evolution, die uns einen unvorstellbaren chemischen Reichtum beschert hat.

Die Zukunft der Medizin liegt im Meer

Die Erforschung mariner Wirkstoffe steht noch am Anfang, doch ihr Potenzial ist gigantisch. Die Erkenntnisse aus der Arbeit am Elyakov-Pazifik-Institut zeigen, dass die Lösung für viele drängende Probleme der modernen Medizin buchstäblich unter der Wasserlinie liegt. Ob Antibiotika, Krebsmedikamente oder Therapien gegen neurodegenerative Erkrankungen – die Ozeane könnten der Schlüssel zu neuen, lebensrettenden Behandlungen sein. Es ist an der Zeit, diesen Schatz zu heben und die Weltmeere als Quelle medizinischer Innovationen zu verstehen.

Beitragsbild: pixabay.com – dimitrisvetsikas1969

Dieser Beitrag wurde am 14.02.2025 erstellt.

Sogar in der modernen Schulmedizin gilt Bienengift als offizielles Therapeutikum, das will schon was heißen. Entwickelt haben die Bienen ihr Gift zur Verteidigung ihrer Behausungen. Bei ihrem Gift handelt es sich um ein komplexes Mehrkomponentensystem, dessen Proteine so gekennzeichnet sind:

  • Es sind hochaktive Peptide und/oder biogene Amine.
  • Die Inhaltsstoffe umfassen Histamin, Dopamin, Serotonin und flüchtige Stoffe wie Pheromone und Lockstoffe.
  • Sie verfügen über enzymatische Eigenschaften.

Jene Organismen, die mit Bienengift konfrontiert werden, reagieren vor allem auf diese Inhaltsstoffe:

  • Adolapin
  • Apamin
  • Cardiopep
  • Melittin
  • Minimin
  • MSD-Peptid
  • Secapin
  • Tertiapin

Wirkspektrum von Bienengift

Die analgetische beziehungsweise schmerzstillende Wirkung von Bienengift ist schon sehr lange bekannt. Auch heute noch wird es in all diesen Fällen häufig eingesetzt:

  • Asthma bronchiale
  • Bluthochdruck
  • Geschwüre
  • Ischias
  • Linderung rheumatischer Schmerzen bei Entzündungen von Muskeln und Gelenken
  • Migräne
  • Neuralgien
  • Probleme bei der Wundheilung
  • Thrombophlebitis

Viele wissenschaftliche Studien haben inzwischen bestätigt, dass Bienengiftpräparate mit diesem umfangreichen Wirkspektrum aufwarten können:

  • antibakteriell und antiviral
  • anti-apoptotisch
  • antifibrotisch
  • anti-arthrosklerotisch
  • entzündungshemmend

In der Konsequenz wird Bienengift sehr erfolgreich als Therapeutikum gegen die folgenden Erkrankungen eingesetzt:

  • Alzheimer
  • Amyotrophe Lateralsklerose
  • Atherosklerose
  • Leberfibrose
  • Parkinson
  • Rheumatoide Arthritis
  • Schmerzen allgemein
  • Tumorerkrankungen

Wirkmechanismen

Unter anderem durch die Freisetzung von endogenen Opioidpeptiden und Katecholaminen aktiviert Bienengift über das Blut das neuroendokrine Regulierungssystem und erweitert die Kapillaren sowie die kleinen Arterien. Zudem wird im Blut die Menge der weißen Blutkörperchen und des Hämoglobins erhöht und der Cholesterinspiegel gesenkt. Zusammen mit einer auf den Herzmuskel tonisierenden Wirkung wird der Blutdruck abgesenkt.

In einigen relativ aktuellen Studien wurde bei Melittin eine antikanzerogene Wirkung nachgewiesen, da diese Proteine Einfluss auf die Apoptose und die Proliferation haben und damit das Wachstum von Krebszellen hemmen. Darüber hinaus wirkt Melittin entzündungshemmend, antibakteriell und antiviral.

Das griechische Wort μέλιττα (mélitta) bedeutet übrigens Biene. In diesem Kontext hier ist damit ein kationisches Polypeptid gemeint, das aus insgesamt 26 Aminosäuren besteht und den Hauptbestandteil (50 bis 70 Prozent) des Bienengifts ausmacht.

Das aus Bienengift gewonnene Melittin hat sich sogar als wirksames Mittel gegen SARS-CoV-2 erwiesen. Die chinesische Provinz Hubei war sozusagen das „Epizentrum“ von COVID-19. In einer dortigen Apitherapie-Klinik wurden viele Patienten mit Bienengift behandelt. Laut einer Umfrage haben übrigens mehr als 5.000 unbehandelte Imker keinerlei COVID-19-Symptome entwickelt.

Es ist unter anderem Bronchialasthma, das sehr erfolgreich mit der Apitoxin-Therapie behandelt werden kann, aber auch rheumatoide Arthritis mit mittlerem bis hohem Aktivitätsgrad sowie Ängste und Depressionen sind mit dieser Therapie behandelbar.

Gerade bei rheumatoider Arthritis ist die Apitoxin-Therapie hinsichtlich der klinischen Wirkung mit einer Behandlung mit Glukokortikosteroiden vergleichbar, wobei aber deren massive Nebenwirkungen vollkommen wegfallen.

Welche physiologischen Mechanismen werden durch Bienengift ausgelöst?

Mit dieser Frage haben sich Wissenschaftler an der Staatlichen Universität Nizhny Novgorod (Russland) am Institut für Biologie und Biomedizin beschäftigt. Ihr Interesse galt dabei insbesondere den Peptiden.

Der Gründer dieser Forschungsrichtung war übrigens N. M. Artemov. Bereits in den 1940er-Jahren hatte er sich der Erforschung der interzellulären Interaktionen zugewandt und Bienengift für viele regulatorische Funktionen des Organismus vorgeschlagen.

Tatsächlich dominieren Peptide die interzelluläre Signalübertragung in unserem gesamten Körper, wobei sich die Peptidregulatoren unter anderem als polyfunktional und pleiotrop erwiesen haben.

Von pleiotrop spricht man zum Beispiel, wenn eine einzelne Genmutation oder Genvariante nicht nur ein bestimmtes Merkmal oder eine bestimmte Eigenschaft beeinflusst, sondern gleich mehrere verschiedene Merkmale oder Prozesse im Organismus.

In niedrigen Dosen wird die pharmakologische Wirkung von Melittin durch die Auslösung einer bestimmten Kaskade vermittelt, die mit einer Synthese von Prostaglandinen einhergeht, die als starke biologische Regulatoren bekannt sind. Die radioprotektive Wirkung des Bienengifts geht beispielsweise aus den membranstabilisierenden Eigenschaften von Melittin hervor.

Da Melittin ein effektiver Inhibitor des sekundären Zellmediators Calmodulin ist, ergibt sich zugleich eine antitumorale Wirkung. Bienengift ist dadurch in der Lage, Tumorwachstum zu hemmen und die Metastasenbildung deutlich auszubremsen.

Apamin hat großen Einfluss auf die synaptischen Übertragungen und damit auf die Interaktionen von Neuronen. Dies verbessert wiederum die Funktionen des zentralen Nervensystems. Durch Aufnahme von Apamin wird zudem Cortisol im Körper ausgeschüttet, das sämtliche entzündlichen Vorgänge zurückdrängt.

Die entzündungshemmende Wirkung wird außerdem von den natürlichen, nicht-steroidalen FFM-Peptiden verstärkt. FFM-Peptid ist eine Abkürzung für das „Frankfurter Flughafen Mindesterbgut Peptid“, auch bekannt als „Survivin“.

Es handelt sich dabei um ein Protein, das in Krebszellen vorkommt und eine wichtige Rolle bei der Regulation des Zellzyklus und der Zellteilung spielt. Survivin ist in gesunden erwachsenen Geweben normalerweise nicht vorhanden, wird jedoch bei verschiedenen Krebsarten wie Brust-, Lungen- oder Darmkrebs angetroffen.

Dieses spezielle Protein wurde erstmals im Rahmen einer Studie entdeckt, die an Gewebeproben von Tumorpatienten am Frankfurter Flughafen durchgeführt wurde.

Der einzige Bestandteil von Bienengift, der bei vernachlässigbarer Anaphylaktogenität eine analgetische, also schmerzlindernde Wirkung zeigt, ist Adolapin. Biochemische und pharmakologische Studien haben gezeigt, dass Adolapin einige Vorteile gegenüber anderen synthetischen entzündungshemmenden Medikamenten aufweist.

Gehen wir abschließend noch auf die adrenomimetischen und antiarrhythmischen Eigenschaften von Cardiopep ein. Erstere beziehen sich auf die Fähigkeit, ähnliche Effekte zu induzieren, wie sie durch die Stimulation von Adrenalin oder anderen Katecholaminen beobachtet werden.

Adrenalin ist ein Hormon und Neurotransmitter, der normalerweise vom Nebennierenmark ausgeschüttet wird und eine Vielzahl physiologischer Reaktionen im Körper auslöst, darunter die Erhöhung der Herzfrequenz, die Steigerung des Blutdrucks, die Erweiterung der Bronchien und die Steigerung der Energiebereitstellung.

Substanzen mit adrenomimetischen Eigenschaften können ähnliche Reaktionen hervorrufen, indem sie sich an die Adrenalinrezeptoren im Körper anheften und diese aktivieren.

Substanzen mit antiarrhythmischen Eigenschaften dienen zur Behandlung von Unregelmäßigkeiten im Herzrhythmus oder sogenannten Arrhythmien im Herzrhythmus, deren Ursachen zum Beispiel Herzkrankheiten, Elektrolytstörungen oder Medikamentenwirkungen sein können. Derartige Substanzen modulieren die elektrische Aktivität des Herzens oder verbessern die Übertragung elektrischer Impulse im Herzen.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Peptide des Bienengifts grundsätzlich und besser als die meisten pharmazeutischen Medikamente regulierend wirken. Die im Bienengift enthaltenen regulatorischen Peptide arbeiten im Verein mit biogenen Aminen und Enzymen in optimaler Weise zusammen, was schließlich in die klinische Apitherapie einfließt.

Bienengift hilft auch bei Krebs

In Ägypten ist es schon lange gang und gäbe, Bienengift zur Behandlung von Leberkrebs einzusetzen. Um schädliche Nebenwirkungen von Chemotherapien zur Leberkrebs-Behandlung abzufedern, haben Wissenschaftler an der Universität Kairo und der Universität Kafr El-Sheikh sehr erfolgreich mit Bienengift und dessen bioaktiven Substanzen experimentiert.

Lebererkrankungen können sich relativ schnell zu einem hepatozellulären Karzinom entwickeln, das ist ein primärer, bösartiger Lebertumor. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass bis zum Jahre 2030 über eine Million Menschen daran sterben werden.

Zurzeit werden Leberzellkarzinome, akute myeloische Leukämie und metastasierender Nierenkrebs meistens mit Sorafenib behandelt. Zwar ist dieses Medikament bei einem Leberzellkarzinom durchaus wirksam, aber seine Nebenwirkungen sind vielfältig:

  • Appetitlosigkeit
  • Übelkeit
  • Durchfall
  • Toxidermie
  • Gewichtsverlust
  • Heiserkeit
  • erhöhte Müdigkeit
  • hoher Blutdruck
  • Blutungen

Die meisten Patienten, die mit Sorafenib behandelt werden, entwickeln früher oder später eine Resistenz gegen das Medikament. Insofern wäre eine sichere Alternative dafür mehr als wünschenswert.

Im Übrigen wurde festgestellt, dass Bienengift beziehungsweise Melittin die Wirkung von Sorafenib deutlich verstärkt, weil dadurch Signalwege aktiviert werden, die zum Tod der Krebszellen (Apoptose) führen. Das bedeutet auch, dass die Dosierung der Medikamente herabgesetzt werden kann, was schließlich auch die Nebenwirkungen eingrenzt.

Tumorzellen abzutöten, ohne die gesunden Zellen im Umfeld zu beschädigen, das ist der Traum vieler Ärzte und gewiss aller betroffenen Patienten. Einem australischen Forscherteam ist genau dies mit Bienengift im Labor gelungen. Sogar bei dreifach negativem Brustkrebs und bei Brustkrebszellen, die mit HER2 angereichert wurden (HER2-positiv), haben die Wissenschaftler nachweislich erstaunliche Erfolge erzielt.

HER2-Rezeptoren senden bestimmte Signale an die Zellkerne. Dadurch teilen sich die Krebszellen noch schneller und lassen den Tumor immer weiter wachsen. Das Bienengift wirkt aber selektiv und ausschließlich auf die bösartigen Zellen. Zudem wird die Wirksamkeit der anderen Krebsmedikamente dadurch verstärkt.

Dieser Beitrag wurde am 17.04.2024 erstellt.